Tierquälerei - Delphine

Jährlich werden zwischen Oktober und April in einigen japanischen Fischerdörfern 17.000 Meeressäuger getötet

*Von Lars Nicolaysen*
- Fischer nennen Nahrungskonkurrenz als Grund für die brutalen Tötungen.
- Ausgewählte Tiere landen in Aquarien.
*Tokio.* (dpa) Es ist ein Ort der Idylle. Gruppen von Delphinen ziehen vor der Küste der kleinen japanischen Walfang-Stadt Taiji durch die sanften Meereswogen. Die Tiere ahnen wohl nicht, dass in zwei der malerischen Buchten eines Nationalparks von Taiji der Tod lauert. Hier, rund 700 Kilometer südlich der Hauptstadt Tokio, sowie an wenigen
anderen Orten des Landes fallen nach amtlichen Angaben alljährlich zwischen Oktober und April rund 17.000 Delphine sowie andere Kleinwale einer Treibjagd zum Opfer, Umweltschützer sprechen von mehr als 20.000 getöteten Tieren. Die Meeressäuger werden auf offener See eingekreist, in Lagunen getrieben und mit Lanzen abgestochen – mit Billigung der Regierung in Tokio und weitgehend unbemerkt vom Großteil der Einwohner des Landes. Doch nicht alle Tiere sterben, einige werden ausgewählt, um
als Show-Delphine in Aquarien und Vergnügungsparks in aller Welt zu dienen.
Es ist ein erschütternder Anblick: Schätzungsweise 150 der Meeressäuger halten die Fischer von Taiji an diesem Morgen in einer der Buchten mit Netzen gefangen. Durch Hämmern auf ins Meer gehaltene Metallstangen hatten die Jäger zuvor den Orientierungssinn der Tiere lahm gelegt und sie so in die Lagune getrieben. In hektischen Stößen spritzt Wasser aus den Atemlöchern der Meeressäuger, viele versuchen vergeblich, durch die Netze zu entkommen. Vor den Augen von Passanten, die von der Ortsstraße in die Lagune schauen, ertrinken einige Delphine, doch niemand regt sich
auf.

Fotografieren verboten

Eine Gruppe von Delphintrainern beteiligt sich unterdessen aktiv an dem Treiben. In Neoprenanzügen waten und tauchen sie stundenlang zwischen den Delphinen und suchen sich die schönsten im Auftrag von Unterhaltungsparks und Aquarien aus. "Die Tiere sind jeweils zwischen 50.000 und 100.000 Dollar wert", sagt Richard O’Barry, der in den sechziger Jahren Trainer der Delphine für die TV-Serie "Flipper" war, seit 1970 aber für den Schutz der Meeressäuger kämpft. Die milliardenschwere Delphin-Industrie "unterstützt die Treibjagd, indem sie die Fischer für ihr Verhalten entlohnt", sagt O’Barry.

Alle übrigen Delphine werden getötet. Hierzu werden viele an ihren Schwanzflossen festgebunden. Fischer zerren die wild zappelnden Tiere dann zu dritt oder zu viert an der Seite der Motorboote hängend in eine Nachbarlagune, wobei sie bei Wendemanövern über die gefangenen Delphine fahren. Andere werden in die Bucht getrieben, wo sie mit Lanzen getötet werden. Augenzeugen zufolge wird vielen auch die Kehle durchschnitten.

Doch das Töten soll niemand sehen. Seit Aktivisten nach Taiji kommen, um den "geheimen Genozid" an Delphinen zu dokumentieren, hat die Stadt alle Wege zur Bucht versperrt. Im Hafen, wo die toten Delphine zu Fleisch verarbeitet werden, verbieten Schilder auf Japanisch und Englisch das Fotografieren. Pro Tier erhalten die Fischer umgerechnet 450 Euro.

Umweltschützer werfen den Japanern vor, die Delphine unter fadenscheinigen Argumenten zu töten. Angeblich würden sie zu viele Fische fressen und so die Erträge der Fischereiindustrie schmälern. Japans Medien schwiegen das Abschlachten tot, klagt O’Barry. Die Fischer in Taiji sind wütend auf Leute wie ihn. Die Atmosphäre ist spürbar
gereizt. Tierschützer fühlen sich verfolgt. Polizisten notieren sich die Autonummern von Journalisten.

"Die Leute in Taiji sind keine Mörder!", schimpft Yoji Kita, vom lokalen Erziehungsausschuss. "Wir töten Delphine, weil wir sie zum Leben brauchen". Sie gehörten nun einmal zur Esskultur und Tradition der Region. "Kein Walfänger tötet zum Spaß", behauptet Kita. Im Übrigen handle man mit der Erlaubnis der Regierung.

Man habe den Fischern genaue Anweisungen gegeben, um die Zeit des Tötens zu verkürzen, erklärt Hideki Moronuki, zuständiger Sprecher der Fischereibehörde in Tokio. Auf die Frage, warum die Tiere tagelang in den Buchten einem derartigen Leiden ausgesetzt würden, räumt er ein: "Was Sie gesehen haben, ist nicht das, wozu wir die Fischer angewiesen haben."

Aber auch die teils extrem hohen Verseuchung von Delphinfleisch mit Quecksilber ist für einen Vertreter des Gesundheitsministeriums kein Grund zur Aufregung. Schließlich werde im Internet und auf Zetteln hinreichend gewarnt. Schwangere sollten eben nicht zu viel Delphin essen, meint er.


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